Mittwoch, 26. September 2012

Geselligkeit

In einem Post schrieb ich: "In den letzten zwei Jahrzehnten hatte ich im Wesentlichen nur mit Menschen zu tun, deren Leben sich im Streben nach materiellen Gütern und Banalem erschöpft.
In diese Gesellschaft konnte ich mich nicht einbringen. Ich musste sie also über mich ergehen lassen. Glücklicherweise nur alle vierzehn Tage am Sonntag beim gemeinsamen Kaffee trinken.
Aber der Schlaf in der Nacht war unruhiger als an den anderen Tagen, wo ich meistens recht gut schlief. Wie  bei einem Besessenen lief ein Fremdprogramm an Gedanken, Bildern, Emotionen ab, das sich oft noch im Traum fortsetzte." 

Dazu habe ich nun bei Schopenhauer (Aphorismen, Kap. 7, V) Erhellendes und Bestätigendes gefunden, was mich natürlich freut. Da heißt es:
"Was den großen Geistern die Gesellschaft verleidet, ist die Gleichheit der Rechte, folglich der Ansprüche, bei der Ungleichheit der Fähigkeiten, folglich der (gesellschaftlichen) Leistungen, der andern. Die sogenannte gute Societät läßt Vorzüge aller Art gelten, nur nicht die geistigen, diese sind sogar Kontrebande. Sie verpflichtet uns, gegen jede Torheit, Narrheit, Verkehrtheit, Stumpfheit, grenzenlose Geduld zu beweisen; persönliche Vorzüge hingegen sollen sich Verzeihung erbetteln, oder sich verbergen; denn die geistige Überlegenheit verletzt durch ihre bloße Existenz, ohne alles Zutun des Willens. Demnach hat die Gesellschaft, welche man die gute nennt, nicht nur den Nachteil, daß sie uns Menschen darbietet, die wir nicht loben und lieben können, sondern sie läßt auch nicht zu, daß wir selbst seien, wie es unserer Natur angemessen ist; vielmehr nötigt sie uns, des Einklanges mit den anderen wegen, einzuschrumpfen, oder gar uns selbst zu verunstalten. Geistreiche Reden oder Einfälle gehören nur vor geistreiche Gesellschaft: in der gewöhnlichen sind sie geradezu verhaßt; denn um in dieser zu gefallen, ist durchaus notwendig, daß man platt und borniert sei. In solcher Gesellschaft müssen wir daher mit schwerer Selbstverleugnung dreiviertel unserer selbst aufgeben, um uns den andern zu verähnlichen. Dafür haben wir dann freilich die andern: aber je mehr eigenen Wert einer hat, desto mehr wird er finden, daß hier der Gewinn den Verlust nicht deckt und das Geschäft zu seinem Nachteil ausschlägt; weil die Leute, in der Regel, insolvent sind, d. h. in ihrem Umgang nichts haben, das für die Langweiligkeit, die Beschwerden und Unannehmlichkeiten desselben und für die Selbstverleugnung, die er auflegt, schadlos hielte: demnach ist die allermeiste Gesellschaft so beschaffen, daß, wer sie gegen die Einsamkeit vertauscht, einen guten Handel macht. Dazu kommt noch, daß die Gesellschaft, um die echte, d. i. die geistige Überlegenheit, welche sie nicht verträgt und die auch schwer zu finden ist, zu ersetzen, eine falsche, konventionelle, auf willkürlichen Satzungen beruhende und traditionell, unter den höheren Ständen sich fortpflanzende, auch, wie die Parole, veränderliche Überlegenheit, beliebig angenommen hat: diese ist, was der gute Ton genannt wird. Wenn sie jedoch einmal mit der echten in Kollision gerät, zeigt sich ihre Schwäche. – Zudem: wo der gute Ton hereintritt, geht der gesunde Verstand hinaus."

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